Gering schätzende – verachtende Mimik und Persönlichkeit

Beobachtungen in Mimikseminaren zeigen, dass es eine Zweiteilung gibt zwischen a) Personen die sehr gut die Augenbraue außen heben (Brows Outer Part BO) können und b) Personen, denen das sehr schwer fällt.
Wie kommt dieses Phänomen zustande?
Gibt es einen Zusammenhang zu Persönlichkeitsmerkmale, bzw. handelt es sich überhaupt um eine Disposition?
Die Hypothesen müssen differenziert für die „Intensität“ der ausgedrückten Emotion betrachtet werden. BO drückt Skepsis aus und gibt dem Objekt noch die Chance sein Verhalten zu überdenken und zu korrigieren.

Weitergehende Überlegungen zu stärkeren Formen von Verachtung findet man bei Schriber et al. (2016). Diese verwenden jedoch einen Fragebogen zur Erhebung der „contemptousness“.

„a ten-item test called the Dispositional Contempt Scale, where respondents rate how they agree or disagree with statements like “I often lose respect for others,” “I would never try to make someone feel worthless,” and “I often feel like others are wasting my time.”

Sie gehen auch generell von der starken Form aus. Was sich durch die Struktur des Appraisal operationalisieren lässt. Punkt 3 ist entscheidend.

First of all, somebody is violating your standard of behavior, be they of your class, culture, or religion.

Second, there’s some value judgment happening, namely that they are worse than you in some crucial way (which makes sense to me, since contempt always brought to mind a sneering English butler).

Third. Then comes an impulse to get this person, or persons, out of your life, like by undermining their reputation, ostracizing them, or forcing them to pay for a wall between your countries.“

Anfrage der Stuttgarter Zeitung – Regine Warth

–          Wie hat sich die menschliche Mimik im Laufe der Evolution entwickelt?

Dazu liegen soweit mir bekannt keine Daten vor. Nötig wären Rückschlüsse aus Knochenfunden auf die vorhandene Gesichtsmuskulatur.  Das ist eventuell sogar möglich. Meine Hypothese wäre, dass man – wenn überhaupt – eine Differenzierung der Muskulatur auf der Grundlage derjenigen der Schimpansen findet (siehe Chimp-FACS, Sarah-Jane Vick, Bridget Waller, Lisa Parr,
Marcia Smith-Pasqualini & Kim Bard).

–          Was unterscheidet menschliche Mimik von tierischer Mimik?

Eine ausführliche Beschreibung dazu findet sich ebenfalls in Chimp-FACS. Die Bewegungsmöglichkeiten der Augenbrauen sind gegenüber denen des  Menschen eingeschränkt. Sie können nicht zusammen gezogen werden und vor allem können innerer und äußerer Teil nicht separat bewegt werden. Letzteres ermöglicht dem Menschen bereits eine Palette an Ausdrucksmöglichkeiten. Z.B. Bitten, Betteln, Flehen durch das Anheben des inneren Teils (s.a. Dackelblick: muskuläre Grundlage beim Hund ist mir nicht bekannt).

Chimpansen können lächeln, die Nase rümpfen, die Oberlippe anheben, die Mundwinkel senken.

Aber sie können nicht die Lippen spannen (LT oder AU23), oder einen Kussmund machen. Sie stülpen aber die Lippen nach außen, z.B. beim Schreien.

Sie können die Lippen zusammenpressen. Ob sie diese auch anspannen ist noch nicht beobachtet worden, der Muskel orbicularis oris ist zumindest vorhanden. Auch ziehen sie die Lippen ein (lips suck).

–          Ist Mimik universell verständlich?

Für die Basisemotionen laut Ekman ist dies Teil der Definition derselben. Es gibt jedoch erheblichen wissenschaftlichen Dissens über die Aussagekraft der angeführten Studien. Harriet Oster die Expertin für Baby-FACS teilte zum Beispiel mit, dass sie keine distinkten Ausdrücke der Basisemotionen bei Babies gefunden hat. Lediglich unspezifische Ausdrücke von Distress. Wenn man einen Blick in die oft angeführten Studien blinder Kinder wirft, wird es schwierig (siehe „Do blind people express their emotions in the same way as people who can see?“ Gentaz, Geneve, Psychonomic Bulletin & Review). Die Emotionen sind erkennbar, können aber nur schlecht willentlich hergestellt werden. Soziales Lernen und Feedback sind wichtige Aspekte der Ausdifferenzierung der Mimik. 

–          Welche Rolle spielt die Mimik in der menschlichen Kommunikation und auf welche Punkte im Gesicht achten Menschen, wenn sie miteinander kommunizieren?

Sie dient der Beziehungsregulation aber zu großen Teilen ist sie auch Teil des sprachlichen Ausdruck und insbesondere Emotionsmimik wird verwendet um Einstellungen zu Objekten emotional angereichert darzustellen. Je reibungsloser eine Interaktion abläuft, desto geringer wird der Anteil regulierender Mimik.

Beleidigtsein

Eine Anfrage von „Zeit Wissen“
Redakteurin: Amelie Breitenhuber

Frage: Gibt es eine spezifische Mimik, an der wir erkennen können, dass einer unserer Mitmenschen beleidigt ist? Ist sie universell? Was sind typische Verhaltensmuster, wenn man beleidigt ist?

Die kognitiv-affektive Struktur des „beleidigt sein“

Ausgangspunkt für die Frage auf Verhaltensmuster ist die Klärung der kognitiv-affektiven Schritte, die typisch sind für die entsprechende Emotion. Was ist nun die kognitiv-affektive Struktur von Beleidigtsein:

-> Sie ist kurz gesagt gekennzeichnet durch eine wahrgenommene Herabsetzung einer selbstwertrelevanten Eigenschaft der Person durch eine andere Person (= Täter).

„Du bist dumm wie Stroh“, „Du siehst heute aber besonders hässlich aus“.

Die Täter-Persepektive

Beleidigung stellt sich aus der Sicht des „Täters“ strukturell als Verachtung dar. Nämlich dem Nichterfüllen einer Norm seitens des Opfers, was dann auch dem Opfer gegenüber geaüßert wird. Dem Opfer wird abgesprochen, dass es zu einer „Normalgruppe“ gehört, was dieses als Beleidigung auffassen kann.

Die mimischen Äußerungen des Täters sind in den Bereich Verachtung / Ekel einzuordnen.

(Mimische) Reaktionen des Opfers

Das Opfer hat eine ganze Reihe von emotionalen Reaktionsmöglichkeiten in Abhängigkeit von z.B. Persönlichkeit,  sozialer Situation und vor allem der Beziehung, in der das Opfer zum Täter steht.

Eine Beleidigung führt also nicht zwangsweise zum Verhaltensmuster des „Beleidigt seins“. Auf eine Beleidigung muss nicht unbedingt mit dem „beleidigt sein“ reagiert werden. Vielmehr können auch offener Ärger, Verachtung, Missachtung und Ignorieren auftreten.

Handelt es sich um eine bedeutsame Person, deren Äußerungen Ernst genommen werden, tendiert die emotionale Reaktion zu Niedergeschlagenheit, Selbstwertreduktion –> Trauer, Depression, Rückzug. Typisch für das „beleidgt sein“ ist aber, dass die Äußerung als nicht zutreffend erachtet wird und dass die Beziehung generell noch eine Chance hat, wenn der Täter die Beleidigung zurück nimmt (siehe Signalwert).

Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet das „beleidigt sein“ aber meist das passive ignorierende und die Situation verlassende Verhalten.  Es realisiert eine Revanche für die Beleidigung, indem es die Beleidiger in ähnlicher Weise missachtet, wie sie es selbst dem Opfer gegenüber getan haben. Mit dem Unterschied, dass keine besondere Eigenschaft abgesprochen wird, sondern ihre generelle Eignung als Sozialpartner.

„Warum kommt er nicht mehr zum Training? Er ist beleidigt, weil wir ihn nicht als Sturmspitze aufgestellt haben.“

Was ist der Signalwert von „beleidigt sein“?

Emotionen haben einen kommunikativen Wert, sie signalisieren den Sozialpartnern, was sie tun sollen, um der Emotion zu entsprechen.

Der Rückzug des Opfers bedeutet nicht, dass die Beziehung endgültig abgebrochen ist, er signalisiert aber, dass die Initiative beim Täter liegt. Er soll die Herabsetzung rückgängig machen, z.B. sich entschuldigen.

Dementsprechend zeigt der Beleidigte, wenn er es überhaupt für nötig hält, Mimik der Verachtung gemischt mit solchen des Ärgers.

Die Verachtung bezieht sich auf das aus der Sicht des Opfers „falsche Urteil“, dass der Täter gefällt hat. Sie spricht dem Opfer die Kompetenz ab, ein solches Urteil zu fällen.

Ärger hat folgenden Signalwert: es übermittelt dem Täter, dass er einen Schaden angerichtet hat, den er beheben soll.

Das Verhaltensmuster lässt sich also charakterisieren durch die Bestandteile: Rückzug, Verachtung, Ärger.

Zu diskutieren wäre noch die Frage nach dem Auftreten von Schamgefühlen, die wahrscheinlicher werden, wenn die Person durch die Beleidigung „bloß gestellt“ wurde.

Tiergesichter werden oft als männlich wahrgenommen.

Kurze Überlegung auf eine  Anfrage der Kinderzeitung der Süddeutschen Zeitung

Frage:

Wir veröffentlichen darin diese lustigen, computergenerierten Bilder von Tieren: http://www.zooportraits.com/. Beim Durchsehen fiel uns aber auf, dass fast alle von ihnen „männlich“ wirken und vom Künstler deshalb auch in Männerkleidung gesteckt wurden. Wir fragen uns jetzt: Wieso wirken die meisten Tier-Gesichter auf Menschen eher männlich als weiblich? Können Sie uns dazu eine kleine Antwort geben?

Überlegung:

Es handelt sich hier zwar nicht direkt um mein Fachgebiet (Personenwahrnehmung) und es liegen mir auch keine gesicherten empirischen Befunde zu diesem Thema vor.
Allerdings könnte ich folgende Vermutungen oder Hypothesen aufstellen. Den abgebildeten Tieren ist gemeinsam, dass sie über eine ausgeprägte Schnauze verfügen, also einen nach vorne herausragenden Kiefer.
Übertragen auf menschliche Gesichter und eine anthropomorph geprägte Wahrnehmung fügen sich folgende Aspekte zusammen. Ein ausgeprägter Kiefer geht mit einem hohen Testerongehalt einher (siehe z.B. gedopte Sportler 😉 ) und betont das „Rohe, Aggressive, usw. “ des männlichen Geschlechtsstereotyp.
Im Bereich der Mimik drückt sich das so aus, dass Wutgesichter besonders überzeugend werden, wenn der Unterkiefer nach vorne geschoben wird.

Emotionen im Strassenverkehr

Die emotionale Struktur des Strassenverkehrs

Der Strassenverkehr wird zwar mit der Freude am Fahren beworben. Hervorstechend sind aber oft negative Emotionen. Aus emotionspsychologischer Sicht erklärt sich das daraus, dass die Teilnehmer ein Ziel anstreben, dem sie hohe Priorität einräumen. Sie wollen so schnell, autonom und bequem wie möglich irgendwo ankommen. Diesem Ziel stehen im Prinzip alle anderen Verkehrsteilnehmer entgegen. Sie fahren zu langsam, zu schnell, bremsen unnötig, … Das ist der beste Nährboden für Ärger.

Leib, Leben und vor allem der Selbstwert sind bedroht

Existentiell wird die Situation durch die lebensbedrohlichen Folgen eines Fehlverhaltens. Diese werden in der subjektiven Sicht aber geringer eingeschätzt als Verletzungen des Selbstwerts der Verkehrsteilnehmer. Die durch den Statuswert des Fahrzeugs vorgebene Hierarchie z.B. wird nicht von allen anderen angemessen respektiert. Vielmehr gibt es Aufmüpfige, die sich mit ihren untermotorisierten Kleinwagen angestachelt fühlen die Werteordnung, die nicht nur auf Materiellem bestehen sollte, wieder herzustellen (Alle Menschen sind gleich. Allerdings nur von Geburt und selbst das nicht).

Ärger oder Geringschätzung

Ärger tritt dann auf, wenn das Verhalten des anderen als absichtsvoll interpretiert wird. Oft wird ihm aber die Fähigkeit abgesprochen verantwortungsvoll gehandelt zu haben. Letzteres führt zu Geringschätzung und Entwertung.

Radfahrer

Der Radfahrer wird vom Autofahrer als bewegliches Hindernis und als Quelle unberechenbaren Verhaltens wahrgenommen.  Er behindert das schnelle Vorwärtskommen, obwohl er, was die Masse angeht, gegenüber dem durchschnittlichen 2 Tonner eigentlich als ein Nichts anzusehen wäre. Hier bedarf es über die Physik hinausgehender Werte, um den Impuls das Hindernis aus dem Weg zu räumen, zu hemmen (= emotionale Arbeit).

Zum Glück beinhaltet die Emotion den Selektionsvorteil, dass die zugehörige Handlung von der Emotion getrennt ist. D.h. der Impuls den Radfahrer aus dem Weg zu räumen ist zwar da, zunächst aber wird die zugehörige Emotion gezeigt, der Ärger (Schimpfen, Hupen, Gesten zeigen).

Die aktuelle Rolle bestimmt die kognitive Bewertung

Man ist nicht von Geburt Auto- oder Radfahrer, vielmehr ändert sich die Weltsicht, sobald man sich in die eine oder andere Rolle begibt. Ein Wechsel zwischen den Rollen kann die Empathie für den anderen Verkehrtsteilnehmer fördern. Empathie  für die Situation des anderen ist generell zu entwickeln.

Reziprozität

Da der Ärger meist nicht nur einseitig auftritt, sondern beide Auto- und Radfahrer emotional reagieren, kommt es gerne zu einem reziproken Aufschaukeln. Das ist vor allem der Fall, wenn man sich geschützt fühlt, sprich in einer ausreichend gepanzerten Limousine, zur Not genügt ein SUV, sitzt. Dem Radfahrer bleibt nur sich darauf zu verlassen, dass er in einer weitgehend zivilisierten Welt lebt und der Kontrahent die Unantastbarkeit der Würde des Menschen kennt. Zur Handlungssteuerung genügt auch die Antizipation  einer Vielzahl negativer Konsequenzen, die zu ertragen wären, wenn man dem Handlungsimpuls freien Lauf gibt.

Autofahrer unter sich

Emotionen und Sport

Individuelle emotionale Aspekte
(aktive und passive Form)

Die aktive Form Sport führt zu ähnlichen körperlichen Erlebnissen („sensations“), wie sie auch mit emotionaler Aktivierung einhergehen. Puls und Blutdruck steigen, Schweiß tritt auf die Haut, der Muskeltonus erhöht sich. Man spürt bei größerer Belastung das Herz im Hals schlagen. Es kommt zu einem starken Erleben des Körpers, und einer Aktivierung des Körperschemas als psychischer Repräsentanz des Körpers. Das kann mit einem Erleben von Kraft und Stärke einhergehen. Hinzu kommt das Erleben einer umfassenden körperlichen Müdigkeit, die alle Glieder erfasst und die sich von der Müdigkeit, wie sie durch Schreibtischarbeit entsteht, deutlich unterscheidet.

Lerntheoretisch können diese Erfahrungen – neben zu Beginn oft schnellen Leistungszuwächsen – zu Verstärkern werden, die das Training fördern. Die Gefahr der Übermotivation besteht allerdings auch und endet nicht selten in frühen Verletzungspausen und einem Abbruch der sportlichen Tätigkeit.

Psychische Störungen gehen gelegentlich mit der Fehlinterpretation körperlicher Sensationen einher. So kann die Wahrnehmung des Herzschlags zu panikartigen und teufelskreis-artigen Reaktionen führen. Die Erfahrungen aus der sportlichen Tätigkeit bieten dem Patienten hier alternative Interpretationen an. Er kennt jetzt die Situation, dass das Herz stärker schlägt aus einer positiven unbelasteten Situation. Hinzu kommt, dass sich nach und nach ein positiveres Körperbild und Vertrauen in die Funktion des Körpers herausbilden kann.

Vor allem bei der aktiven Form treten auf:

  • Narzisstische Freude am Funktionieren des Körpers
  • Befriedigung zwanghafter Tendenzen durch das Einhalten vorgegebener Pläne (Trainingspläne). „Halte dich an den Plan und alles wird gut“.
  • Sozialer Kontakt bei Mannschaftssport oder Gruppentraining.
  • Kräftevergleich –> Freude, Stolz, Scham, Trauer, Unzufriedenheit

Sport als Zuschauer

In der passiven Form vor allem bei kompetitiven Sportarten, in denen es einen Sieger gibt, speist sich die emotionale Aktivierung aus der Identifikation mit einem Sportler oder einer Mannschaft. Die Identifikation kann mehr oder weniger stark sein und durch verschiedene Aspekte entstehen. Betont wird oft die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe (Sportler oder Mannschaft der Stadt, der Nation). Es kann aber auch die Anerkennung einer Sportlerpersönlichkeit oder Biografie sein, die den Zuschauer mitfiebern lässt. Emotionen enstehen, wenn Ziele betroffen sind, entweder positiv, gefördert oder negativ, behindert. Das zentrale Ziel im kompetitiven Sport ist der Sieg oder eine gute Platzierung (kulturelle Unterschiede). Freude und Trauer bei Zielerreichung/Niederlage. Ärger, Verachtung und Aggression bei als unfair wahrgenommenen Verhaltensweisen und Entscheidungen.

Vor allem bei Mannschaftssportarten besteht die Hauptfunktion in einer ritualisierten, aggressionsfreien oder zumindest regulierten Form eines Kräftemessens zwischen Bezugsgruppen. Diese sublimierte Form der Austragung eines Grundkonflikts zwischen Stammesgruppen wird allerdings auch häufig durch konkrete Anwendung von Gewalt kurzgeschlossen. Die dünne Haut der kultivierten Auseinandersetzung ist oft eben nur dünn.

Es können auch ästhetisierende Aspekte hinzukommen, wie z.B. das perfekte Zusammenspiel der Akteure, des “Teams” oder auch spektakuläre Einzelaktionen („Die Schönheit dieses oder jenen Sports“)

Die Emotionen des Zuschauers und die physiologischen Korrelate können wie bei der aktiven Form ausgeprägt sein. Allerdings fehlt das körperliche Abreagieren.

 

 

 

 

Wer oder was „nervt“ und wie reagieren wir mimisch?

Überlegungen zu einer erneuten Anfrage einer Redakteurin Kathrin Gemein von Raufeld Medien GmbH

Thema „Nervensägen“, die in den NRW-Funke-Tageszeitungen WAZ, NRZ, Westfalenpost, Westfälische Rundschau und Iserlohner Kreiszeitung

„Nerven“ oder „genervt“ sein sind Begriffe mit einem weiten Bedeutungsfeld und existieren in dieser Form nicht in der Emotionspsychologie. Es bedarf also einer Klärungen der zugrunde liegenden Bewertungsstruktur.

Was „nervt“ also? – Der repetitive Charakter

Zentral ist das beharrliche Wiederholen eines Verhaltens, eines Anliegens (oder mehrerer), das den Zielen des Genervten widerspricht. Das kann von einem Genervtsein mit einem Lächeln und der ansonsten positiven Wertschätzung des Nervenden  bis zum Ärger über eine ungeliebte Person reichen. Entsprechend wird der semantische Ausdruck auch gesteigert „das nervt kolossal“.

Ein tropfender Wasserhahn ist ein gutes Anschauungsbeispiel für den Prozess des Nervens.

Der Unterschied zum Ärger

Der Unterschied zum Ärger besteht darin, dass man dem Nervenden keine nachdrückliche Intention unterstellt, sondern das Verhalten als unvermeidlichen Teil seiner Person ansieht. Die Person ist halt so und kann nicht anders.  Bei positiver Wertschätzung kann man das Verhalten als lieb gewonnenen Tick verstehen. In anderen Fällen als lästige Störung.  Werden jedoch wesentliche Ziele der Zielperson nachhaltig gefährdet, kann es auch zu offenem Ärger kommen.

Die Mittelbarkeit der Zielbehinderung

Oft ist auch nicht unmittelbar ein Ziel der Person, die genervt ist, betroffen. Sondern das Anliegen des „Nervenden“ betrifft z.B. das Ziel in Ruhe gelassen zu werden oder sich anderen Dingen zu widmen.

In welche Emotionsfamilie fällt das „Genervtsein“

Die oben angedeuteten kognitiven Bewertungsprozesse passen zu der Emotionsfamilie der Verachtung (als Extrempol dieser Gruppe von Emotionen).

Auch deshalb, weil in dem „nervenden“ Verhalten eine Abweichung vom als ideal oder wenigstens als normal erachteten Verhalten gesehen wird. Diese Bewertungsstruktur passt ebenfalls zur Verachtung (Diskrepanz Real- und Idealbild).

Es kann aber auch sympathische Aspekte enthalten, wenn das Verhalten wie oben als Spleen oder typisch für diese ansonsten positiv geschätzte Person ist.

Soziales Signal des „Genervtsein“

Der soziale Appell an den Nervenden oder Dritte besteht so auch darin, diese Ideal- oder Normvorstellungen zu teilen und sein Verhalten entsprechend anzupassen.

Mimischer Ausdruck des Genervten

Die zugehörigen Mimiken sind vielfältig und beinhalten oft auch Kopf- und Augenbewegungen. Z.B. das Rollen der Augen oder auch eine ähnliche rollende Bewegung des Kopfes. Die Mimik ist in ein einseitiges Anheben oder Einziehen der Mundwinkel (AU12 oder AU14  oder beides) oder ein einseitiges Anheben der Oberlippe (AU10). Das Heben der Augenbrauen auf beiden Seiten oder typischerweise auf einer Seite zusammen mit den beschrieben Augen- und Kopfbewegungen sind ebenfalls häufig zu beobachten.

 

 

 

Emotionale Intelligenz und das Erkennen von Mimik

Das Konzept der Emotionalen Intelligenz

Das Konzept der Emotionalen Intelligenz, wie es von Mayer & Salovey eingeführt wurde, muss sich den gleichen kritischen methodischen und konzeptuellen Fragen stellen, wie das für die „Soziale Intelligenz“ der Fall war. Vor allem der Frage, ob es sich tatsächlich um ein eigenständiges psychologisches Konstrukt handelt oder ob es mit Hilfe anderer Konstrukte erklärt werden kann,z.B. der Intelligenz.

Encodieren und Decodieren von Emotionen

In der Forschung wird die Kompetenz Emotionen adäquat auszudrücken – das Encodieren von Emotionen – von der Fähigkeit unterschieden, diese zu erkennen (Decodieren von Emotionen). Das Erkennen von Emotionen aus der menschlichen Mimik gehört zum Bereich „Decodierungsfähigkeit“. Anders als man annehmen könnte, weisen En- und Decodierungsfähigkeit keine oder nur geringe Zusammenhänge auf.

Mimik erkennen alleine reicht nicht aus!

Das Erkennen von mimischen Ausdrücken anderer Personen macht für sich alleine genommen nicht schlauer oder glücklicher. Entscheidend ist die Fähigkeit die Beobachtungen einzuordnen und zu interpretieren.

  • Was hat die Emotion beim anderen ausgelöst?
  • Gilt sie mir oder einer anderen Person?
  • Wieso reagiert die Person gerade auf diese Weise? („individual, subjective cognitive appraisal“)
  • Ist eine Reaktion erforderlich und was ist eine angemessene Reaktion?

Natürliche Abläufe versus zu Forschungszwecken erstellte

Das in den Studien verwendete Stimulusmaterial – meist Fotos von Emotionsgesichtern – muss auch das zeigen, was es zeigen soll. D.h. es muss valide sein. Das ist nur selten der Fall.

Besonders, wenn es sich um spontan erstelltes Material handelt, ist die abgebildete Mimik meist sehr heterogen. Bei genauerer Betrachtung erschließt sich die spezifische Emotion oft mehr aus dem Kontext als aus der Mimik.

Literatur

HILLARY ANGER ELFENBEIN, ABIGAIL A. MARSH, WIN1 AMBADY (2002).  Emotional Intelligence and the Recognition of Emotion from Facial Expressions.

Mandal, Manas. (2015). Understanding facial expressions in communication : cross-cultural and multidisciplinary perspectives

Zur Vertiefung des emotionspsychologischen  Wissens, insbesondere des kognitiven Bewertungsprozess, der zwischen Auslösesituation und Emotion abläuft:
Merten, J. (2003). Einführung in die Emotionspsychologie. Stuttgart: Kohlhammer.

Neues Kurskonzept für das Erlernen von FACS

Seminar I:
Emotionen erkennen mit dem Facial Action Coding System

Das Seminar fokussiert auf das Erkennen von Emotionen an Hand der Mimik. Im Training werden die Action Units des FACS und die zugehörigen Basisemotionen schrittweise vermittelt.

Wichtig für eine begründete Interpretation der emotionalen Mimik sind grundlegende Kenntnisse der Auslösung von Emotionen. Diese werden am Beispiel der mimischen Reaktionen vermittelt.

Im Verlauf des Seminars lernen die Teilnehmer emotionale Gesichtsmimik zu erkennen und zu interpretieren.

Seminar II:  Aufbaukurs für FACS-Codierer

Der 2-tägige Kurs richtet sich an Teilnehmer, die bereits das Seminar I absolviert haben oder über entsprechende Kenntnisse verfügen.

  • Basisemotionen, Blenden und Maskierungen erkennen und verstehen
  • Was Ekman nicht thematisiert: Die Interpretation einzelner Action Units als Bausteine der Basisemotionen
  • Einführung in die Systematik des EmFACS
  • Bedeutungsvarianten von Mimik: Welche Kontextvariablen bestimmen die Bedeutung mimischer Events?
  • Sozialpsychologische Grundlagen der Interpretation
  • Training des Erkennens von Events in Gesprächsabläufen inklusive der sukzessiven Verbesserung des Erkennens sehr kurzer Events „micro-momentary expressions“.
  • Anwendung auf das Erkennen von Täuschungsversuchen