Beleidigtsein

Eine Anfrage von „Zeit Wissen“
Redakteurin: Amelie Breitenhuber

Frage: Gibt es eine spezifische Mimik, an der wir erkennen können, dass einer unserer Mitmenschen beleidigt ist? Ist sie universell? Was sind typische Verhaltensmuster, wenn man beleidigt ist?

Die kognitiv-affektive Struktur des „beleidigt sein“

Ausgangspunkt für die Frage auf Verhaltensmuster ist die Klärung der kognitiv-affektiven Schritte, die typisch sind für die entsprechende Emotion. Was ist nun die kognitiv-affektive Struktur von Beleidigtsein:

-> Sie ist kurz gesagt gekennzeichnet durch eine wahrgenommene Herabsetzung einer selbstwertrelevanten Eigenschaft der Person durch eine andere Person (= Täter).

„Du bist dumm wie Stroh“, „Du siehst heute aber besonders hässlich aus“.

Die Täter-Persepektive

Beleidigung stellt sich aus der Sicht des „Täters“ strukturell als Verachtung dar. Nämlich dem Nichterfüllen einer Norm seitens des Opfers, was dann auch dem Opfer gegenüber geaüßert wird. Dem Opfer wird abgesprochen, dass es zu einer „Normalgruppe“ gehört, was dieses als Beleidigung auffassen kann.

Die mimischen Äußerungen des Täters sind in den Bereich Verachtung / Ekel einzuordnen.

(Mimische) Reaktionen des Opfers

Das Opfer hat eine ganze Reihe von emotionalen Reaktionsmöglichkeiten in Abhängigkeit von z.B. Persönlichkeit,  sozialer Situation und vor allem der Beziehung, in der das Opfer zum Täter steht.

Eine Beleidigung führt also nicht zwangsweise zum Verhaltensmuster des „Beleidigt seins“. Auf eine Beleidigung muss nicht unbedingt mit dem „beleidigt sein“ reagiert werden. Vielmehr können auch offener Ärger, Verachtung, Missachtung und Ignorieren auftreten.

Handelt es sich um eine bedeutsame Person, deren Äußerungen Ernst genommen werden, tendiert die emotionale Reaktion zu Niedergeschlagenheit, Selbstwertreduktion –> Trauer, Depression, Rückzug. Typisch für das „beleidgt sein“ ist aber, dass die Äußerung als nicht zutreffend erachtet wird und dass die Beziehung generell noch eine Chance hat, wenn der Täter die Beleidigung zurück nimmt (siehe Signalwert).

Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet das „beleidigt sein“ aber meist das passive ignorierende und die Situation verlassende Verhalten.  Es realisiert eine Revanche für die Beleidigung, indem es die Beleidiger in ähnlicher Weise missachtet, wie sie es selbst dem Opfer gegenüber getan haben. Mit dem Unterschied, dass keine besondere Eigenschaft abgesprochen wird, sondern ihre generelle Eignung als Sozialpartner.

„Warum kommt er nicht mehr zum Training? Er ist beleidigt, weil wir ihn nicht als Sturmspitze aufgestellt haben.“

Was ist der Signalwert von „beleidigt sein“?

Emotionen haben einen kommunikativen Wert, sie signalisieren den Sozialpartnern, was sie tun sollen, um der Emotion zu entsprechen.

Der Rückzug des Opfers bedeutet nicht, dass die Beziehung endgültig abgebrochen ist, er signalisiert aber, dass die Initiative beim Täter liegt. Er soll die Herabsetzung rückgängig machen, z.B. sich entschuldigen.

Dementsprechend zeigt der Beleidigte, wenn er es überhaupt für nötig hält, Mimik der Verachtung gemischt mit solchen des Ärgers.

Die Verachtung bezieht sich auf das aus der Sicht des Opfers „falsche Urteil“, dass der Täter gefällt hat. Sie spricht dem Opfer die Kompetenz ab, ein solches Urteil zu fällen.

Ärger hat folgenden Signalwert: es übermittelt dem Täter, dass er einen Schaden angerichtet hat, den er beheben soll.

Das Verhaltensmuster lässt sich also charakterisieren durch die Bestandteile: Rückzug, Verachtung, Ärger.

Zu diskutieren wäre noch die Frage nach dem Auftreten von Schamgefühlen, die wahrscheinlicher werden, wenn die Person durch die Beleidigung „bloß gestellt“ wurde.